Gifttiere |
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Therapie
- Beruhigen des Patienten
Oft ist Angst nach dem Biß das ausgeprägteste Symptom,
wobei kardiale Giftwirkungen dadurch verstärkt werden können.
Die mit der Angst einhergehende Unruhe trägt zur Verteilung
des Giftes bei.
- Abnehmen beengender Gegenstände wie z.B. Ringe um bei
Gewebeschwellung Durchblutungsstörungen mit drohender Gewebsnekrose
vorzubeugen
- Ruhigstellen der Bißstelle
Zur Verzögerung der Resorption und Verteilung möglicher
injizierter Gifte sollte in jedem Fall die Bißstelle immobilisiert
(z.B. Schienung, Schlinge für den Arm oder ähnliches) und der Patient
liegend in das nächste Krankenhaus transportiert werden. Aktive
Fortbewegung des Patienten stimuliert den Blutkreislauf und sorgt so
für schnellere Verteilung des Giftes.
Bei der Ruhigstellung von Extremitäten darauf achten, daß
keine Druckstellen entstehen, und daß die Blutzirkulation
nicht behindert wird.
- Kompressions-Immobilisations-Methode
Soll die Verteilung des Giftes besonders verzögert und
behindert werden, ersetzt heute die
Kompressions-Immobilisations-Methode die früher teilweise
empfohlene venöse Stauung; die Anwendung entspricht einem
Kompressionsverband bei Venenthrombose (Druck ca. 55mmHg, also
>venöser Druck im Liegen, aber <venöser Druck im Stehen) mit
Immobilisation durch eine Schiene (auch Stock od. Brett); die Bandage darf erst
in der Klinik, bei Vorhandensein des entsprechenden Antiserums und der
Möglichkeit intensivmedizinischen Eingreifens (Schocktherapie,
Intubations- und Beatmungsmöglichkeit) gelockert und abgenommen werden,
da nach Bandageöffnung das Anfluten größerer
Giftmengen möglich ist.
Indikation der Kompressions-Immobilisations-Methode sind Tierbisse
mit neurotoxischen oder kardiotoxischen Giften, die schnell zum Tode
führen können, wie:
-- einige Elapidae (Giftnattern): z.B. neurotoxische Kobras, Korallenschlangen,
Mambas, Kraits, Notechis
-- Seeschlangen
-- Bienen und Wespen bei Bienenallergie
-- Meerestiere: Seewespe-Qualle nach Essigbehandlung und einzelne
Kegelschnecken
Generelle Anwendung der Kompressions-Immobilisations-Methode ist
kontraindiziert wegen folgender möglicher Gefahren:
-- Vergrößerung lokaler Nekrosen bei allen Tiergiften,
die lokal gewebenekrotische Anteile haben (viele Viperidae und Crotalidae,
einige Elapidae, Spinnen, und Skorpione)
-- Durchblutungsstörungen bei zu fester Bandage oder bei Gewebeschwellung
durch das Toxin, im Extremfall bis zur Nekrose der ganzen Extremität
-- Boluseffekt des Giftes beim Lösen der Bandage, mit
möglicherweise plötzlich vehementer Giftwirkung
- TIER-GIFT-ANTISEREN
Bei allen europäischen Giftschlangenbissen ist Antiserumgabe
allermeistens nicht nötig.
Die Gabe eines Antiserums birgt immer erhebliche Gefahren in sich, wie
sofortige allergische Reaktionen bis zum tödlichen
anaphylaktischen Schock, aber auch verzögerte allergische Reaktionen
wie die Serumkrankheit, die 8-10 Tage nach der Injektion
auftritt und von Fieber über Gelenkschmerzen bis zum Nierenversagen
oder Lähmung führen kann. Für etliche Gifttiere sind keine
entsprechenden Antiseren vorhanden, bei vielen Gifttierbissen ist eine
Antiserumgabe nicht nötig und bei einigen Antiseren ist die Wirksamkeit
nicht erwiesen (z.B. bei etlichen Skorpionantiseren)
Deshalb darf Antiserum nur vom Arzt gegeben werden, der eine etwaige
anaphylaktische Reaktion behandeln könnte und der die Gefahr
der Antiserumgabe gegen die Gefahr des Tiergiftes abwägen kann.
Genauere Angaben dazu kann man im
Gifttier-Informationsdienst unter dem jeweiligen Tiernamen finden
(nur lateinische Namen erlauben sichere Zuordnung). Bei eingetretenem
Gifttierbiß sollte auf jeden Fall zusätzlich ein Giftnotruf
befragt werden. Die eigene Bevorratung von Tiergift-Antiseren für
Auslandsaufenthalte ist aus obigen Gründen nicht anzuraten,
außerdem sind bei gegebener Indikation oft 4-8 der recht teuren
Ampullen erforderlich, die meist kühl gelagert werden müssen.
In Gegenden, in denen Gifttiere häufig sind, sind in
aller Regel entsprechende Antiseren bevorratet.
- SCHÄDLICHE KONTRAINDIZIERTE THERAPIEN
-- nicht die Wunde ein- oder ausschneiden, da das Toxin oft zu tief
injiziert ist, um es durch chirurgische Maßnahmen entfernen
zu können und da evtl. unstillbare Blutungen drohen (z.B.
bei Klapperschlangen); außerdem drohen Verletzungen wichtiger
Strukturen.
-- kein arterieller oder venöser Blutstau, wegen möglicher
Verschlimmerung der Gewebeschädigung durch Sauerstoffmangel.
-- keine Eisanwendungen (ausgenommen einzelne Quallen),
da hierdurch eine mögliche Gewebsnekrose stark verschlechtert
werden kann.
-- keine Anwendung von chem. Substanzen (z.B. nie
Kaliumpermanganatinjektionen),da hierdurch starke Gewebeschäden entstehen
können
-- in Giftschlangengebieten (z.B. Australien) Bißstelle nach
Schlangenbissen nicht abwischen, da eventuell die
Giftschlangenidentifikation durch Giftnachweis mit ELISA-Methoden
aus der Bißumgebung erfolgen kann
- TETANUS-SCHUTZIMPFUNG
- Bei jeder Verletzung mit Tieren unbedingt auf intakten
Tetanusschutz achten
- CHIRURGISCHE WUNDTOILETTE
- Erst in der Klinik vom erfahrenen Chirurgen Wundtoilette zur
Säuberung der Wunde und gegebenenfalls Fremdkörpersuche
(vor allem Meerestierverletzungen). Bei Schlangenbissen
oft keine Inzisionen oder Exzisionen wegen Blutungsgefahr.